Zum 80. Todestag von Dr. Ephraim Carlebach

Von Marco Helbig

„Andere schaffen Dinge, bestenfalls Geschehnisse, – aber Menschen zu schaffen ist auch unter den Größten nur Wenigen beschieden.“ Esriel Carlebach über seinen Vater Ephraim Carlebach, 1936

In diesem Jahr begehen wir den 80. Todestag des Leipziger Rabbiners, der nicht nur in der Synagoge in der Keilstraße 4 arbeitete, sondern auch in der Gustav-Adolf-Straße 7 die erste jüdische Schule Sachsens gründete. Seine Neoorthodoxie, seine Gemeindearbeit und die Carlebach-Schule machten ihn zum bedeutendsten Rabbiner Leipzigs.

Ephraim Carlebach; Quelle: Ephraim-Carlebach-Archiv des Joseph-Carlebach-Instituts, Bar-Ilan Universität, Ramat Gan Israel

Ephraim Carlebach; Quelle: Ephraim-Carlebach-Archiv des Joseph-Carlebach-Instituts, Bar-Ilan Universität, Ramat Gan Israel

Ephraim Carlebach kam 1900 nach Leipzig und wurde beim Talmud-Thora-Verein als Rabbiner und Lehrer eingestellt. Wegen der hohen Zahl an orthodoxen Kindern wurde der Entschluss gefasst, eine eigene Schule zu gründen. Die Schule sollte die weltliche und religiöse Ausbildung verbinden und den Kindern die Sabbat-Ruhe ermöglichen. Am 25. Juni 1913 wurde die Schule eröffnet. In 16 Jahren und mit einer großen Menge von Überzeugungskraft entstand so das jüdische Schulwerk Leipzigs. Die Schule war geprägt von einem politisch und religiös gemischten Lehrerkollegium, das die reformpädagogischen Ideen David Carlebachs umsetzte. Allerdings kam es immer wieder zu antisemitischen Aktionen, mit der Machtübernahme des NS-Regimes entstand sogar eine Zelle des NS-Lehrerbundes an der Schule. Es wurden Schädelmessungen an Kindern durchgeführt und Lehrer wie Schüler denunziert. Das Lebenswerk Carlebachs und seine damit verbundene Arbeit wurden systematisch verunglimpft und zerstört. Man setzte Carlebach als Direktor ab und ersetzte ihn durch Erich Meyer, den Leiter der Zelle des NS-Lehrerbundes. Die Entlassung als Leiter seiner von ihm gegründeten Schule und die Zerstörung seines Lebenswerkes als Erzieher schwächten seine Gesundheit so sehr, dass er seine übrigen Ämter ebenfalls niederlegen musste.

Als Rabbiner der gesamten Leipziger Orthodoxie wurde Carlebach erst 1917 offiziell bezeichnet. Er kümmerte sich nicht nur als Seelsorger um die Gemeindemitglieder, sondern auch um Kriegsgefangene, Inhaftierte und war für das Schächtwesen verantwortlich. Da in Sachsen die jüdischen Gemeinden als Einheitsgemeinden definiert waren, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit dem liberalen Teil der Gemeinde. Außerdem erschwerten die persönlichen Divergenzen der Gemeinderabbiner Felix Goldmann und Ephraim Carlebach dessen Arbeit.

Es waren diese beiden Aufgaben, die Carle­bach völlig in Anspruch nahmen. Der Tod seiner Geschwister Alexander und David Carlebach, die Polio-Erkrankung seiner Tochter Cilly und der frühe Tod seines Sohnes David waren schwere persönliche Schicksalsschläge. Geschwächt durch diese Tragödien verließ Carlebach mit seiner Familie im März 1936 Leipzig um in Ramat Gan (Palästina) Erholung zu finden. Dies war ihm nicht vergönnt, er starb schon am 4. Oktober 1936 völlig unerwartet.
Der Autor arbeitete in seiner Dissertation  Ephraim Carlebach – Rabbiner und Schulleiter zwischen Orthodoxie, Liberalismus und Patriotismus das Leben Ephraim Carlebachs auf. Die Ergebnisse dieser Forschung wird er im Ariowitsch-Haus in einem Vortrag vorstellen.

Ephraim Carlebach – Rabbiner, Schulleiter, Patriot und Mensch Vortrag von Marco Helbig Mittwoch, 26. Oktober, 18.00 Uhr Veranstalter: Ariowitsch-Haus Ort: Ariowitsch-Haus Hinrichsenstraße 14 Eintritt frei

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