Warum die Lesung mit Abraham Melzer nicht stattfindet

Liebe Vereinsmitglieder,
liebe Waldstraßenviertel-Bewohner,

in der heutigen Ausgabe der Bild-Zeitung wurde zutreffend berichtet, dass sich der Vorstand des Bürgervereins entschieden hat, die Lesung von Abraham Melzer im Rahmen von „Leipzig liest“nicht in unseren Vereinsräumen stattfinden zu lassen. Damit Sie sich über die Beweggründe ein eigenes Bild machen können, hänge ich unten die Mail an, die ich am Montag an Herrn Melzer geschickt habe.

Mit herzlichen Grüßen
Jörg Wildermuth

Mail an Abraham Melzer vom 12. Februar 2018:

Sehr geehrter Herr Melzer,
gerne erläutere ich Ihnen, warum sich der Vorstand des Bürgervereins Waldstraßenviertel e.V. gegen eine Lesung mit Ihnen in unserem Vereinsraum entschieden hat.
Anders als Sie vermuten, hat diese Entscheidung selbstverständlich nichts damit zu tun, dass Sie Jude sind oder die Politik des Staates Israel kritisieren – was für eine völlig absurde Unterstellung! Diese wird übrigens noch absurder, wenn Sie sich auch nur andeutungsweise mit unserer Vereinsarbeit beschäftigt hätten.
Es steht selbstverständlich jedem frei, die Politik des Staates Israel – aus welchen Gründen auch immer – zu kritisieren. Wer etwas anderes behauptet, befindet sich weit im Feld der Verschwörungstheoretiker. Die Bundesregierung beispielsweise verurteilt seit Jahren die israelische Siedlungspolitik scharf. Niemand ist deswegen bislang auf den absurden Gedanken gekommen, Frau Merkel oder einen ihrer Minister deswegen als Antisemiten zu bezeichnen. Auch in Ihrem Blog sind solche „verschwörungtheoretischen“ Positionen vielfach zu finden. Ich selbst halte das persönlich schlicht für Unsinn, denke jedoch,  dass dies durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist. Um es ganz deutlich zu sagen: Die Meinungsfreiheit ist für ein hohes Gut, das es uneingeschränkt zu schützen gilt.
Trotzdem gibt es aus unserer Sicht diverse Gründe, die Lesung nicht bei uns abzuhalten. Man muss nicht so weit wie Charlotte Knobloch gehen zu behaupten, Sie seien für Ihre „antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt“. Eine Meinungsäußerung, die das Landgericht München im Januar dieses Jahres allerdings für ausdrücklich zulässig erklärt hat. Die Begründung des Urteils und die in dem Verfahren aufgetauchten neuen Aspekte waren für uns jedoch ausschlaggebend. Konkret geht es um Ihren Auftritt auf der, von Hamas-nahen Organisationen (Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland/PGD und Palestine Return Center/PRC) 2015 in Berlin veranstalteten, „Palestinians in Europe Conference“. Auf dieser Konferenz haben Sie laut Pressemitteilung des Landgerichts München I vom 19.1.2018 offensichtlich auf vorangegangene Demonstrationen Bezug genommen, bei denen Parolen wie „Jude, Jude, feiges Schwein“, „Scheiß Juden, wir kriegen euch“ oder „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ skandiert worden sind. In Ihrer Rede sagten Sie laut der o.g. Pressemitteilung, dies sei „eine durchaus verständliche Reaktion, für die sich keiner entschuldigen muss“. Die Parolen seien „nicht ,judenfeindlich‘ sondern schlimmstenfalls antiisraelisch, anti-zionistisch und ein Ausdruck von Wut, des Zorns und Verzweiflung“.
Die Hamas spricht dem Staat Israel grundsätzlich das Existenzrecht ab. Eine extremistische Haltung, die sowohl dem Völkerrecht als auch dem Grundgesetz widerspricht. Hamas-nahe Organisationen auch nur ansatzweise zu unterstützen ist für uns deswegen eine rote Linie. Außerdem sind in der Satzung unseres Vereins ausdrücklich Toleranz und Verantwortung für die jüdische Geschichte des Waldstraßenviertels festgeschrieben. Folgerichtig können wir einer Lesung von Ihnen in unserem Vereinsraum nicht zustimmen.
Dass Sie den Vorgang jetzt „skandalisieren“ wollen, spricht meiner Meinung nach für sich. Ich hoffe dennoch, dass ich Ihnen unsere Haltung vermitteln konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jörg Wildermuth
Vorsitzender Bürgerverein Waldstraßenviertel e.V.

Author: Jörg Wildermuth

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