Interview mit Ruth Melzer im Juli 2018

Kurzübersicht

 

Geboren 1925 in Hamburg in einer bürgerlichen Familie, der Vater war Kaffeefachmann in einer Rösterei.
Durch die damaligen wirtschaftlichen Veränderungen kam die Familie 1929 nach Leipzig.
Der Vater arbeitete dann in einer der bekanntesten Kaffeeröstereien Leipzigs, der Firma Kaffee Poetzsch.
Sie wohnten in der Fregestraße 28, Ruth Blume kam in die 40. Volksschule (Elsässerstraße) von 1936 bis 1940.

Die Kindheit verbrachte sie im Waldstraßenviertel mit den damaligen Vergnügungen, baden im Sommer im Poseidonbad, Schreberbad, im Rosental, Zoo usw. Ein beliebter Spielplatz war auch das sogenannte Wellerwäldchen, eine noch unbebaute Fläche mit Büschen und kleinen Bäumen. In diesem Areal hielten sich zu der Zeit noch „Zigeuner“ auf, die dann mit der Bebauung in den 30er Jahren verschwanden. Es entstanden dort der Lloydhof und die Bebauung der sogenannten Posthäuser.
Das Gebiet bis zum Rosental wurde noch später erschlossen. Heute befindet sich ein Mehrgenerationenhaus, ein Kindergarten, Pflegeheim und es wird eine Neubau für die Sportoberschule errichtet. Anstelle des Poseidonbades befindet sich heute ein Parkplatz.

Später ging Ruth Blume von 1936 bis 1940 auf die Gaudigschule eine „Höhere Mädchenschule“.
Sie kann sich noch gut an das Waldstraßenviertel erinnern, die geschäftige Waldstraße mit den vielen Geschäften und den Nebenstraßen mit ebenfalls Läden und Kleinunternehmen sowie auch Betrieben.
Sie hatte eine relativ unbeschwerte Kind- und Jugendzeit im Viertel.

Die Politik warf allerdings ihre Schatten voraus, für die heranwachsende Generation nicht immer erkennbar.
Nach der Schulzeit sollten die Mädchen ein sogenanntes Pflichtjahr in Haushalten absolvieren (um eine gute deutsche Hausfrau zu werden). Um das Pflichtjahr zu umgehen konnte man sich freiwillig zum RAD (Reichsarbeitsdienst) melden. Ruth Blume nahm diese Gelegenheit wahr und arbeitete auf dem Land.

So kam Ruth Blume nach Murschall bei Rosenheim in Oberbayern .

Im Sommer 1943 änderte sich der Dienst in den KHD (Kriegshilfsdienst).

Sie kam nach München und wurde mit anderen Jugendlichen im Waisenhaus untergebracht.

Sommer 1944, aus gesundheitlichen Gründen entlassen, kam sie wieder nach Leipzig zu den Eltern in die Fregestraße.
Durch Beziehungen ihres Vaters arbeitete sie im Büro der Wirtschaftskammer bis 1946.
Ab Mai1947 lernte sie an der Berlitz Sprachschule englisch.
Ab 1949 kam sie nach Meißen in eine Lehrerbildungsanstalt und lernt dort auch Russisch und konnte somit in beiden Sprachen übersetzen und unterrichten.

Das Waldstraßenviertel war von den Bombenangriffen auf Leipzig relativ wenig betroffen. Das Leben ging wie in der Nachkriegszeit üblich auch hier weiter. Die belebte Waldstraße war auch nach dem Krieg eine Straße mit den vielseitigsten Geschäften. Sie erinnert sich noch an viel Geschäfte und Handwerksbetriebe im Viertel.

Die großen Wohnungen wurden weiterhin vernachlässigt und waren oft mit Flüchtlingen, damals Umsiedler genannt, doppelt belegt, Teil- oder Untermieter. Die Lage entspannte sich erst in den folgenden Jahrzehnten.

Ab 1950 konnte Ruth Blume eine Tätigkeit als Russischlehrer aufnehmen und machte zusätzlich ab 1951 ein Fernstudium in Geografie.
Mit der Heirat 1958 verließ sie das Waldstraßenviertel und zog nach Gohlis. Im Viertel geboren und die Jugendzeit verlebt und es blieb immer eine Verbundenheit zum Waldstraßenviertel.

Ruth Blume, verheiratete Melzer, arbeitete bis zum Rentenalter im Lehrdienst und wohnt heute in Markkleeberg.

Erzählt von Ruth Melzer, aufgeschrieben von Reinhard Müller Juli 2018.

 

Schulanfang

Klassenfoto 1932 Lehrer Herr Zuleger 40. Schule; R. Blume: 2. Reihe von oben, Mitte, nur Kopf

Urlaub an der Ostsee

Ruth Melzer während des Interviews im Juli 2018

Author: Redakteur_Geschichte

Share This Post On

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert